Nachdruck der SPIEGEL-Titel-Story über Benno Winkel in den Systemmarkt-News Nr.39 und 40 (nur Text) |
Gewinnen ist ein Beruf (Teil 2) |
Casino-Planer Lang (mit guter Querverbindungen
nach Kiel) wurde umgestimmt, nachdem er als Gesellschafter in die neu zu
gründende Travemünder Spielcasino-Betriebs-GmbH. aufgenommen werde,
ohne direkt eigenes Kapital einzubringen. Für die Vergabe der Konzession war das Landesinnenministerium (damals unter der Leitung des SPD-Genossen Käber) zuständig. Als die Verhandlungen mit den Vertretern der Landesregierung endlich erfolgreich abgeschlossen worden waren, hatten sich die von Kurhausverwalter Lang vorgestreckten Spesen - für diverse Bewirtungen - auf 24 000 Mark angesummt. Außer Isidore Prosmans waren inzwischen noch einige finanzkräftige Interessenten gefunden worden, die der Gründungs-GmbH beitraten. Aber noch fehlte der eigentliche Experte - ein neuer Francois Blanc, der durch langjährige Erfahrungen in dieser gewinnbringenden Branche die Garantie dafür bot, daß Travemünde das Monte Carlo des Nordens werden würde. Es war für den belgischen Millionär Prosmans wie für den ebenfalls Geldchancen witternden Amerikaner Mr. Prince selbstverständlich, daß dieser Experte nur Henri Neid heißen konnte. An einem grauen Januartag 1949 traf denn auch der Spielbank-Experte Neid, leicht mitgenommen und argwöhnisch, in Hamburg ein. Er wußte nicht einmal, wo dieses Travemünde, für das man ihn in Aussicht genommen hatte, liegt. Außerdem bedrückte ihn sehr, daß er sich irregulär in Deutschland aufhalten mußte, denn gegen ihn schwebte in Belgien immer noch ein Kriegsgerichtsverfahren*. *Erst am 15.März 1950 wurden die Akten über Neids Kriegsgewinne geschlossen. Befremdet stellte der Vorsitzende des Conseil de Guerre in Lüttich fest, daß wichtige Belastungsdokumente verschwunden waren. Schließlich lautete das Urteil auf ein Jahr Gefängnis (durch Internierung verbüßt) und eine Million Francs (84 000 Mark) Geldbuße. Aber Schwager Prince wußte wieder einmal Rat. Er brachte Neid mit dem Leiter des Travel Office der britischen Besatzungsmacht in Hamburg, dem RAF-Major Alastair McKinnon, zusammen, der eine provisorische Aufenthaltsgenehmigung besorgen konnte. Später beschaffte der Major noch weitere Bescheinigungen nachdem ihm - nach seinen Angaben - zugesichert worden war, daß seine Dienste mit einer ständigen einprozentigen Gewinnbeteiligung am Spielcasino belohnt werden würde. Als er dann nur ein Taschengeld erhielt, revanchierte er sich nach seinem Ausscheiden aus der Royal Air Force durch peinliche Tips über Prosmans, Prince und Neid an die deutschen Finanzbehörden. Das Finanzministerium in Kiel hatte vor der Genehmigung der Gesellschafterliste nicht einmal nach Herkunft der 150 000 Mark gefragt, die das Handelregister für Devisenausländer Isidore Prosmans ausweist. Die Zoll- und Steuerfahndungsstellen in Lübeck wollten es aber genau wissen. Nach langen Verschleierungsmanövern fand Prosmans schließlich die Version: Ich habe diesen Betrag im Bundesgebiet durch Geschäfte, die ich im einzelnen nicht angeben möchte, selbst verdient. Der Fall wurde zunächst mit einer Buße von 50 000 Mark bereinigt. Sie tat Prosmans nicht weh, da schon der erste Jahresgewinn aus seinem offiziellen Spielbank-Anteil ihn hinreichend entschädigte. Der weiße Casino-Palast wirkte wie ein Magnet. Es meldeten sich allerdings auch die Geister der Vergangenheit. Voran Neids Schwager Prince, der seine Vermittlungsdienste nicht umsonst getan haben wollte. Er hatte sich sowohl für Henri Neid als auch für den Hauptgesellschafter Prosmans bei alliierten und deutschen Dienststellen engagiert und drängte auf Umsatzbeteiligung und Provision. Im Hintergrund drohten alte Belastungsakten aus Princes CIC-Zeit. Neid wurde diesen Alpdruck erst los, als sein amerikanischer Schwager samt Ehefrau im Mai 1952 überstürzt nach Canton im Staate Ohio/USA abreiste. Kurz darauf erließ das Amtsgericht Hamburg einen Haftbefehl gegen Prince wegen Devisenvergehens und aktiver Bestechung (AZ 157 Gs. 1411/52 III). Vor seiner Flucht aus Deutschland hatte Prince seinem Schwager Neid eine hohe Abfindung abgeknöpft und in Juwelen angelegt. Neid mußte später wegen dieser Geschenke an einen Devisenausländer eine Buße von 10 000 Mark zahlen. Zoll-und Steuerfahndung warfen weiterhin Argusaugen auf den weißen Casino-Palast an der Ostsee. Die Recherchen richteten sich hauptsächlich gegen den belgischen Millionär Prosmans wegen des Verdachts, er habe zusammen mit Prince illegale Einfuhrgeschäfte abgewickelt und Millionen in Deutschland verdient, ohne Zölle und Steuern zu entrichten*. *Die eingeführten Waren sollen angeblich auf gefälschte Freiimport-Lizenen der Jeia hereingeholt und dabei als Geschenksendungen für displaced persons deklariert worden sein. Der schwergewichtige Millionär Prosmans, der sich vor Jahresfrist eine große weiße Villa an der Avenue Franklin Roosevelt 244 in Brüssel-Süd hat bauen lassen, ist ein internationaler Geschäftsmann mit zahlreichen Handelsunternehmen im Ausland, zum Beispiel in Tanger, Kanada und Ägypten (Spezialität: Pharmazeutika). Außerdem besitzt er eine Fabrik in Lüttich. Im Oktober 1951 überzeugte sich Prosmans zum letztenmal in Travemünde, wie gut das Geschäft an den neun Spieltischen florierte. Dann kehrte er nach peinlicher Sistierung durch die Staatsanwaltschaft des Amtsgericht Aachen der Bundesrepublik den Rücken. Wenige Monate später erließ das Amtsgericht Hamburg einen Haftbefehl gegen ihn. Prosmans bat um freies Geleit; er wollte dann Aufklärung über seine Geschäfte geben. Doch die Bitte wurde abgelehnt. Dagegen waren die Steuerbehörden bereit, sich mit Prosmans in der Schweiz oder in Österreich zu treffen, um eine pauschale Unterwerfungssumme auszuhandeln. Doch Prosmans kam nicht. Als er schließlich die Steuerforderung überhaupt zurückwies, wurde sein Spielbankanteil samt aufgelaufenem Gewinn mit Arrest belegt. Erst vor wenigen Wochen hat sich Prosmans, vertreten durch einen Hamburger Rechtsanwalt, vor dem Finanzgericht in Kiel verglichen; Er zahlte (ohne Schuldanerkennung) freiwillig 100 000 Mark Steuern und Zölle nach und übernahm die Verfahrenskosten in Höhe von etwa 150 000 Mark. Darauf wurde der Haftbefehl aufgehoben und das blockierte Vermögen freigegeben. Mit diesem ungewöhnlichen Vergleich endete ein Ermittlungsverfahren, das über drei Jahre lang auch die Spielbank Travemünde überschattet hatte. Jetzt kann Hauptgesellschafter Prosmans wieder nach Westdeutschland einreisen und sich selbst davon überzeugen, wie inzwischen der Spielpalast an der Ostsee zu einer Bastion des Fremdenverkehrs geworden ist. Der Besuch des Bades während der Sommersaison hat sich von 1949 bis 1953 (über 33 000 Besucher) fast verdreifacht. Trotz des verregneten Sommers meldeten sich auch in diesem Jahr 9 000 Ausländer (das waren zehnmal mehr Ausländer als im Jahre 1950) bei der Kurverwaltung an. |
Die prickelnde Atmosphäre in dem
großen weißen Casino-Palast, dessen Farbanstrich jährlich
112 000 Mark kostet, lockt auch das mittlere Publikum vom Badestrand
an den Spieltisch. Es stellt mit seinen Gelegenheitseinsätzen die
größte Zahl der Verlierer und macht die Bank reich. Die
Nettoüberschüsse der Bank betrugen von 1949 bis 1953 bei einer
Gesamteinnahme von rund 16 821 000 Mark rund 4,7 Millionen Mark. Im Februar
1954 kam dann das Casino Travemünde in eine ungewohnte Situation. Nach
der ersten Monatshälfte mußte die Gesellschaft den Kommanditisten
mitteilen: Leider haben die Spieler sehr viel getroffen und uns damit
außergewöhnlich hohe Verluste in kurzer Folge zugefügt .
. . Verlustsaldo für uns 27 130,84 Mark. Die Gesellschafter bekamen einen Schreck, als ihnen Direktor Neid mit dem Datum vom 17. Februar 1954 ganz besonders vertraulich mitteilen ließ: Da die Spielbank-Reserve nur 200 000 DM beträgt und wir den Gesellschaftern alle übrigen flüssigen Mittel bis auf den notwendigen Betriebsmittelbedarf überlassen haben, sehen wir uns nunmehr wahrscheinlich in der peinlichen Lage, die Gesellschafter darum zu bitten, uns einen Teil der Vorschüsse zurückzuzahlen. |
Am 22.Februar schrieb dann die Casino-Betriebsgesellschaft an den schleswig-holsteinischen Finanzminister Dr. Schaefer: Wir haben uns in dieser Sache sowohl schriftlich als auch in einer eilig einberufenen Gesellschafterbesprechung ebenfalls an unsere Gesellschafter gewandt und sie um beschleunigte, zweckentsprechende Überbrückungsmaßnahmen gebeten. Auch Neid bekam den ungewöhnlichen Vorstoß der beiden Roulette-Könige Winkel und Puch direkt am Monatsgehalt zu spüren. Es schrumpfte schon einmal auf 213 Mark zusammen, denn dieses Gehalt ist mehr eine Erfolgsprämie und steht in einem gewissen Schlüsselverhältnis zum Gewinn. Neid ist allerdings gleichzeitig einer der Hauptgesellschafter mit 75 000 Mark Gesellschaftsanteil und hat sich - genau wie Prosmans - vertraglich eine besonders günstige Anteilsquote am Jahresgewinn der Spielbank (durch sogenannte Vorabpunkte) vertraglich gesichert. |
Schrecken der Casinos: Winkel in Monte-Carlo (l.) und in Nordafrika (mit Schatzmeister) |
Trotz seiner äußeren Gelassenheit
läßt Neid seine Chefcroupiers jede Placierung notieren, die von
den Spielbanden Winkel und Puch gesetzt wird. Er
studiert genau ihre Einsätze und Coups und läßt sich auch
mitten in der Nacht den Saldenstand der Großgewinner melden. Außerdem
achtet die Direktion jetzt peinlich auf die Einhaltung der Maximumklausel:
Wo bereits ein Bandenspieler Maximum (den höchstmöglichen
Einsatz von 70 Mark je voller Nummer) placiert hat, darf kein anderer Spieler
noch einen Chip hinsetzen. Diese strittige Situation ergab sich vor einigen
Wochen, als Winkel gerade zu seiner jüngsten Offensive ausholte. Als
Benno Winkel seine vorher überlegten Einsätze placieren wollte,
erklärten Chefcroupier und Saalchef Winkels Partie, die rund 2500 Mark
eingebracht hätte, für ungültig. Er habe regelwidrig fünf
Nummern, die bereits von seinem Vis-a-vis, einem bankrottem Variete-Unternehmer,
mit dem höchstmöglichen Einsatz gesetzt worden waren, nochmals
mit dem Maximum belegt. Die Travemünder Casino-Ordnung schreibt jedoch
vor: Wird an einem Tisch das Maximum auf irgendeine Chance durch zwei
oder mehrere Personen überschritten, so ist es das Recht der Direktion,
diese Überschreitung zu untersagen. Bis vor einigen Wochen wurde diese Klausel indes niemals angewandt. Dazu gibt die Casino-Direktion den Kommentar: Der Spielleitung ist es überlassen, die Überschreitung . . . in Einzelfällen zu gestatten. Nach internationalem Brauch wird Überschreitung jedoch grundsätzlich nicht gestattet, wenn der Eindruck vorhanden ist, daß mehrere Personen sich zu einem Zusammenspiel vereinigen. Dieses Spiel nennt man auch Bandenspiel. |
Roulette-König Winkel verwahrte sich
gegen den Vorwurf, daß er mit seinem Vis-à-vis ein Bandenspiel
betreibe. Er habe zwar früher zusammen mit ihm operiert, sich aber von
ihm seit einigen Tagen getrennt und diese Trennung der Spielbank-Direktion
mitgeteilt. Es sei allerdings Pech, daß dieser ehemalige Mitarbeiter
Einblick in sein System bekommen habe und deshalb - wenn auch dilettantisch
- ihm nachzueifern versuche. Doch der Protest nutzte nichts. Bald tuschelte
man an allen Tischen, die Spielbank-Direktion wolle sich ihres
gefährlichsten Gegners dadurch entledigen, daß sie ihn daran hindere,
seine vorher ausgeklügelten Nummern zu setzen. Winkel wehrte diese Sonderbehandlung ab, und sein agiler Sozius, der sich Maron nennt und Winkels Einkünfte als Schatzmeister verwaltet (Winkel: Er verfügt über die Hälfte meines Gewinnes und kümmert sich auch sehr intensiv um meine Frau), muckte auf. Trotz der Klausel wollen Winkel und sein Adlatus diese Woche ein neues Gruppenspiel beginnen. |
Andere Casinos reagierten ähnlich: In Mentone bei Nizza hat Winkel nach einem Erfolgsabend vor kurzem erlebt, daß die Casinodirektion einfach den Spielsaal für die nächsten Tage zuschloß, bis Winkel abgereist war. Fragt Winkel: Warum sollen immer nur die Spieler das Risiko tragen? Wie viele haben schon ihre Existenz aufgeopfert. Erst vor einigen Monaten hat sich der ehemalige Lübecker Senator Rechtsanwalt Dr. Oppermann nach einer langen Pechsträhne erhängt. Er hatte außer seinem eigenen Vermögen noch etwa 80 000 Mark, die ihm als Notar anvertraut worden waren, durchgebracht. Vor solchen Kurzschlüssen hält sich Roulette-König Winkel gefeit. Er spottet über die makabre Atmosphäre des Spielsaals, in dem hinter den Spielern auch die Halbwelt kauert, immer bereit, sich an einen Gewinner zu hängen. Nicht weit entfernt davon sitzen die Spekulanten des Unglücks, die jeden Schmuck und jeden parkenden Wagen in Kommission nehmen. |
Das ist die Kehrseite aller Casinos, in denen
Winkel und der nicht ganz so erfolgreiche Wiener Systemtechniker Puch, die
Schrecken der Bankhalter, bisher über zwei Millionen Mark zusammengebracht
haben. Winkel hätte jüngst eine Spielpause eingelegt. Die Bettelbriefe und Heiratsangebote aus aller Welt aber rissen nicht ab. Die Sage von seinem schnell erworbenen Reichtum (den Schatzmeister Maron, Winkels ehemaliger Schulkamerad und Intimus, hütet) strahlte sogar nach Spanien. Eine Mutter in Sevilla offerierte ihre Tochter Dolores für das Brautbett. Den Roulette-König aber bewegte zur Zeit ein anderes Problem. Er überlegte, wie er seinen Spielgewinn am sichersten anlegen kann, und trägt einen kleinen porösen Baustein, als Probe eines neuen Baustoffes Elastizell, in der Hosentasche mit sich herum. Elastizell soll durch Winkel die Welt erobern. Winkels Lieblingsplan jedoch bleibt: sich selbst an einem deutschen Spielcasino zu beteiligen - am liebsten an dem Travemünder Unternehmen. Dann hätte der König endlich sein Schloß. |
Ende der SPIEGEL-Titel-Story (Ausgabe 40 / 1954). Veröffentlichung in den Systemmarkt-News mit Genehmigung des SPIEGEL-Verlages. |
Roulette Casinos zurück zu Teil 1 Benno Winkel